Klima ist schon lange künstlich. Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts, also auf der Schwelle zur Moderne, hielt es der Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon für ausgemacht, dass der Mensch seiner Himmelsgegend „gleichsam die Temperatur geben kann, welche er will“. Unsere Gewächshäuser und Saunalandschaften, Kühlschränke und Klimaanlagen scheinen Buffons aufklärerischem Optimismus Recht zu geben. Künstliche Klimata können der Bekämpfung des Hungers, dem Gesundheitsschutz und letztlich dem guten Leben dienen. Heutiges Climate Engineering, so seine Verfechter, ist jedoch keine Frage des guten Lebens, sondern eine des Überlebens. Es geht nicht mehr ums lokale Wettermachen, sondern um globale Klimatransformationen, darum, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen oder die Sonneneinstrahlung zu reduzieren, um die Erderwärmung aufzuhalten. Nur hat die technisch gestützte, auf den Menschen zugeschnittene Optimierung der natürlichen Umgebung Auswirkungen auf Mensch und Umgebung – vorhersehbare und unvorhersehbare. Über die Gemengelage der Argumente und Emotionen, die sich dem künstlichen Klima verbinden, gibt seine Imaginationsgeschichte Auskunft. Dieser Imaginationsgeschichte gehen wir in diesem kulturwissenschaftlich profilierten Sonderheft nach. Mit Literatur, Film und Computerspiel beleuchten wir ihre Medien. Wir fragen nach ihren je eigenen Ästhetiken und dem Zusammenhang der Imagination mit dem spezifischen Wissen der Klimamodelle aus Computersimulationen. Und wir widmen uns der Politik des künstlichen Klimas – sei es in Form geopolitischer oder militärischer Fantasien, sei es als Wechselwirkung zwischen physikalischem und sozialem Klima. Dabei erweist sich als beeindruckend, was der moderne Mensch in der Lage ist zu tun – und als beglückend, worauf er verzichtet. Vor allem aber zeigt diese Imaginationsgeschichte, dass die Idee eines vom Menschen unberührten natürlichen Klimas in den Bereich der ideologischen Fiktionen gehört.
Steffen Richter