Ausgabe 3 - 1/2021 - Manuel Kaiser

Trigger – Kleiner Auslöser mit großer WirkungGenealogie einer Denkfigur der Wetter- und Klimabeeinflussung

1921 hielt Sir William Napier Shaw, einer der zentralen Akteure der britischen Meteorologie des frühen 20. Jahrhunderts, einen Vortrag vor der Aeronautical Society der Universität Cambridge zur „Künstliche[n] Kontrolle des Wetters“. Shaw sah die gezielte Beeinflussung atmosphärischer Phänomene äußerst kritisch – und zwar nicht, weil sie auf falsch verstandenen physikalischen Prozessen basieren würde, sondern weil sie im Vergleich zu den in der Atmosphäre wirkenden Energiemengen schlicht zu wenig bewirkte:

"Nach unserer Kenntnis beherrschen wir jedes einzelne Element der Atmosphäre, wenn wir es in unseren Labors […] untersuchen können; aber unter freiem Himmel haben die normalen, unvermeidlichen Gesetze, die das Verhalten der Atmosphäre kontrollieren [...] so enorme Energiemassen in Form von Wärme und Wasserdampf in Reserve, dass unsere eigenen kleinen Reserven keinen ernsthaften Einfluss auf den Lauf der Natur nehmen können."

Shaws grundsätzlicher Einwand stand beispielhaft für den atmosphärenphysikalischen Konsens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aus wissenschaftlicher Perspektive existierte keine praktikable Möglichkeit, die Beeinflussung von Wetter und Klima zu denken. Damit sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein wissenschaftlich gestützter Wetter- und Klimamodifikationsdiskurs formieren konnte, musste – so die übergeordnete These dieses Beitrags – eine neue Denkfigur etabliert werden. Diese Denkfigur des Triggers – des kleinen Auslösers mit großer Wirkung – ließ die immensen natürlichen Kräfte in der Atmosphäre handhabbar erscheinen.

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