Erschienen im November 2021.
Während Corona-Zahlen mit rasender Geschwindigkeit unser Leben umkrempeln, bleiben andere Zahlen – wie die zu Kohlendioxid-Konzentrationen, zur Versauerung der Ozeane oder zu Extremwetterhäufigkeiten – noch immer oft folgenlos. Dabei stehen beide Arten von Zahlen in einem engen Zusammenhang mit dem, was wir tun – oder eben nicht tun. Das Virus zeigt, wie sehr wir verletzlicher Bestandteil dessen sind, was uns umgibt. Es wäre immerhin denkbar, dass diese Einsicht auch hinsichtlich jener anderen Zahlen stärker politikwirksam wird. Die damit verbundenen Einschränkungen individueller Freiheitsrechte – seien es Mobilitätsroutinen oder Ernährungsgewohnheiten – kommen nicht mit einer Corona-App auf die Welt. Individuelle Freiheitsrechte waren immer schon verhandelbar. Als Hygienetechniken oder Verkehrsregeln gehören sie zum Bedingungsgefüge unserer Modernität, sie verbessern die Aussichten auf Gesundheit, Sicherheit und Wohlstand aller. Und sie basieren auf Zahlen samt ihren Deutungen. Käme die derzeitige epidemiologisch bedingte Verwissenschaftlichung der Politik auch den Zahlen der Biologie, Geologie oder Meteorologie zugute, wäre das eine gute Nachricht.
Auch wir versuchen mit dieser Ausgabe, einen klaren Kopf zu bewahren: Wir laufen nicht jeder ökopopulistischen Behauptung nach, klären auf über die Auseinandersetzungen um eine Kupfermine in Arizona und behalten den Dauerwald vor lauter Götterbäumen im Blick. Wir versuchen, den vermeintlichen Natur-Technik-Gegensatz vorm Horizont einer Kosmotechnik aufzulösen, rehabilitieren die oft als nutzlos oder gar störend angesehene Alge, wohnen einer ganz besonderen Sonnenfinsternis bei und denken mit Bildern und Texten wieder einmal über das Ende nach – das möglicherweise nicht vor, sondern hinter uns liegt.
Steffen Richter